900 Höhenmeter in 5 Minuten

Gestärkt von der weltbesten Bolognese-Sauce inklusive der obligatorischen Nudeln und einem Schüsselchen Salat nehme ich jetzt den zweiten Anlauf, einen (längst überfälligen) Blogeintrag zu schreiben. Auch, wenn satt sein faul macht … und Rotwein sowieso … und auch, wenn Chris derweil fleißig Bilder importiert und ich damit jetzt noch warten muss (menno!)… und überhaupt …

Noch vor ein paar Wochen mussten wir – gefragt nach unseren Fitnessstatus für den Nepaltrek im kommenden Mai – noch die ein oder andere Lücke im Trainingsplan zugeben. Chris war durch USA und Deutschland getourt und mich hatten eine chronische Bronchitis sowie einige andere Infektionen an einem regelmäßigen Sportprogramm gehindert.

“Hauptsache Ihr bewegt Eure Beine” hatte Jon Miller uns vor ein paar Wochen über Skype wissen lassen. “mindestens 3x pro Woche solltet Ihr einige (viele) Kilometer zu Fuß zurücklegen”. Solange es nicht in Sport ausartete hatte ich vom Doc das O.K. für Bewegung und so waren und sind wir inzwischen – wenigstens was die Kilometer unter den Sohlen angeht – voll im Plan. Letzten Dienstag wollten wir zusätzlich auch noch mehr Panorama und noch mehr “Gegend” sehen. Nach diversen Spaziergängen und Wanderungen unterhalb 2000 m üNN  sollte es in der zweiten Woche unseres Weihnachtsurlaubs mal ein bisschen höher hinaus gehen.

Von meinem letzten Wanderurlaub in der Schweiz hatte ich noch eine der Touren zwischen Leukerbad und Kandersteg im Kopf. Irgendwie gefällt es mir in der Schweiz hinter jeder zweiten Ecke – aber da war dieses Hochplateau kurz vor dem Gemmipass herunter nach Leukerbad, was ich landschaftlich wunderschön gefunden hatte und von dem ich wusste, dass es auch winters erlaufbar ist. Von unserem walliser Basislager Lens (was für ein Stützpunkt für Fotografen!) ist es zwar ein gutes Stück nach Kandersteg – aber der Endpunkt der angedachten Wanderung, Leukerbad, ist keine Stunde Autofahrt entfernt. Machbar also – vorausgesetzt, ich würde Chris früh genug aus dem Bett bekommen.

Mit lieben Worten, Kaffeeduft und anderen fiesen Tricks ist letzteres kein allzu großes Problem. Der Equipment-Check (2 DSLRs, eine Videokamera, einige Akkus, Tapes, diverse Linsen, Filter, etc. pp. …), Blasenentleerungen (2) und das Drehen von ein paar ersten Minuten Video-Material unterhalb der Kirche in Lens verzögern unsere Abfahrt dann doch noch auf fast 11 Uhr. Wir schaffen es trotzdem – völlig gegen unsere Gewohnheit – kurz VOR der Mittagspause an unsererem Ziel anzukommen. Der Liftboy an der Talstation der Gemmi-Bahn ist so freundlich, die Mittagspause erst einzuläuten, nachdem alle brav Schlange stehenden Bergtouristen abgefertigt waren.

Der Gemmipass ist schmaler Saumpfad der sich von Leukerbad aus entlang einer Felswand 900 Meter steil in die Höhe schlängelt. Zusammen mit dem Weg über besagtes Hochplateau und einem etwas weniger steilen Abstieg nach Kandersteg bildet er einen Übergang vom Kanton Wallis ins Berner Oberland. Der Pfad  ist im Winter nicht begehbar, aber für diese ersten 900 Höhenmeter steht  dem geneigten Wandersmann netterweise eine Seilbahn zur Verfügung, die einem unnötige Strapazen erspart und den Aufstieg von circa 2 Stunden auf fünf Minuten verkürzt. Der Blick von der Bergstation hinab ins Tal ist einigermaßen spektakulär.

 

Leukerbad aus der Vogelperspektive

Leukerbad aus der Vogelperspektive

Neben dem Spaziergang um des Spaziergangs willen, haben wir außerdem vor, einen Haufen Fotos mitzubringen und Videomaterial für eine Folge Tips from the Top Floor zu drehen. Um uns keine Gedanken über den Rückweg zum Auto machen zu müssen, wollen wir einen Rundweg um den zugefrorenen Daubensee ablaufen – auch, wenn ich zu gerne den gesamten Weg nach Kandersteg gegangen wäre.

Von der Bergstation geht es zuerst 300 Höhenmeter bergab – was man im frischen Zustand nicht wirklich zu schätzen weiß – und die erste Hälfte der Seeumgehung hat man den Wind im Rücken und die Sonne auf dem Bauch. Das ist viel zu angenehm um anstrengend zu sein – vor allem, wenn man alle naselang stehen bleibt, um Fotos zu schießen oder Video zu drehen. Für mich ist es in diesem Teil schwieriger, die Videokamera ruhig zu halten und den Fototips-gebenden-Chris zu filmen als meine Beine zügig rund um den See durch den Schnee zu bewegen.

Außer Wanderern wie uns trifft man dort oben hauptsächlich kleine und große Rodelsüchtige, Skitourengeher und (Kur-)Langläufer. Wir haben viel Gelegenheit, etwas betagtere Damen und Herren mit 30 Jahre alter Ausrüstung im klassisch nordischen Stil um und über den See gleiten zu sehen. Ein Bein vor, eins zurück und ab und zu ein Doppelstockschub. Und das alles in hellblauen Kniebundhosen und weißer Pudelmütze (oder so ähnlich). Das hat direkt meditative Qualitäten und erhöht den Erholungsfaktor erheblich.

 

Blick über den Daubensee von halber Strecke

Blick über den Daubensee von "halber Strecke"

Leider pustet einem auf dem Rückweg der Wind tüchtig entgegen. Am Nachmittag verläuft der Weg  dort im Schatten und so wird es lausig kalt. Die Nase tropft, die Akkus machen schlapp und unser Elan hinsichtlich kreativer  Tätigkeiten lässt stark nach. Wie durch ein Wunder ist auch die Zahl der anmutig gleitenden Loipen-Freunde deutlich rückläufig. Jetzt wird der Tag doch noch sportlich und wir stapfen mit aufgezogener Kaputze und gesenktem Kopf tapfer vor uns hin. Das schöne Bergpanorama ist uns inzwischen wurscht und der Paraglide-Skifahrer auf dem See muss sich schon mächtig anstrengen, um uns zum Filmen zu bewegen. Er tut es trotzdem. Danke.

Ganz zum Schluss stehen uns noch die knapp 300 Höhenmeter bergauf bevor. Was im Sommer ein Kinderspiel ist, wird in losem Schnee zu einer kleinen Herausforderung. Besonders, wenn ab und an das Bein bis zum Knie versinkt. Kann mal bitte jemand ausgraben helfen?

Trotz ständiger Ablenkung durch die mitgeführten Gadgets brauchen wir für die kleine Tour nur eine halbe Stunde länger als angegeben. Man kann sagen was man will: Gegenwind und Kälte beschleunigen eben enorm.

Zur Belohung gönnen wir uns im Hotel Wildstrubel, warme Suppe, Rivella, Almdudler und einen Schokoriegel. Und so schließt sich der Kreis – ein ordentlicher Blogbeitrag beginnt und endet schließlich mit einem guten Essen .

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Monika Andrae

monika.andrae@gmail.com
2 Comments
  • Trudel Marquardt

    03/01/2009 at 10:17

    Wenn ich den tollen Bericht lese, kriege ich Heimweh nach dem Wallis. Tolle Fotos. Ich bin jeden Tag gespannt, was es Neues gibt.
    LG Trudel

  • Chris

    03/01/2009 at 12:39

    Iiiich? Morgens nicht aus dem Bett kommen? Alles Lüge! 🙂

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