Aus Angst vor dem Banalen

… oder die Geschichte von Frau Hasenfuß.

Es gibt Dinge, die ich besonders gut kann:

  • Meine Kamera mit mir herumtragen, zum Auge führen und nicht abdrücken.
  • Meine Kamera zum Auge führen, abdrücken und unzufrieden sein.
  • Film um Film belichten und unentwickelt im Dunkeln liegen lassen.

Und warum?

  • Weil jemand  das Bild sicher schon besser gemacht hat (oft hat dieser Jemand einen Namen)
  • Weil es ein Postkartenbild ist
  • Weil es sicher ein banales Motiv ist.

Turn right

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Picture taken in St. Peter Ording, Germany by Monika Andrae Camera: Pentax 67 Film: Kodak Tri-X 400

Bei solcher Art lieb gewonnener Eigenheiten droht nicht nur ein ABBLE von unerhörten Ausmaßen (ABBLE = Analog Backlog Beyond Life Expectancy), sondern es geht einem auch der Spaß am allerliebsten Hobby flöten. Der Stapel schlummernder Bilder ist wie ein lästiges Jucken an einer Stelle, die man alleine schlecht erreicht. Je länger sie ruhen, desto mehr juckt es. Je länger sie ruhen, umso weniger mag frau sich die Bilder anderer Leute ansehen.

Wenn’s einen zwischen den Schulterblättern juckt, sucht man sich einen Türrahmen zum dran Schuppern – oder holt die Laborkiste aus dem Keller und fängt an. Und siehe da, es macht Spaß. Bilder banal? Sch…egal.

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Ich hasse übrigens den Begriff Entschleunigung …

Wann immer ich über Blogartikel falle, in denen es in irgendeiner Form um analoge vs. digitale Fotografie geht, bleibe ich kleben. Sie sind für mich ein bisschen wie ein offener Honigtopf .. eigentlich ist das Zeug pur viel zu süß und doch tippt der Finger auf die Honigoberfläche und wandert zum Mund. Pawlowsche Reflexe. Mehr oder weniger.

Hängengeblieben bin ich diesmal an einem Artikel von Ronny auf seinem Blog BlogTimes Warum analoge Fotografie im digitalen Zeitalter?“. Irgendjemand in meiner Twitter-Timeline hatte den Link gepostet. Ich wollte nur kurz reinlesen, dann blieb ich an “Ich hasse übrigens den Begriff Entschleunigung … “ hängen und las weiter. Polarisierende Aussagen … jaja, da war sie wieder die Sache mit dem Honigtopf  …

Beim Durchlesen des Texts und auch danach blieb ein komischer Beigeschmack. Irgendwas juckte mich. Eigentlich wollte ich nicht kommentieren .. und doch habe ich mich dabei ertappt, wie ich einige im Artikel genannte Argumente gedanklich wiederkäute.

Das Thema ist viel diskutiert – und trotzdem berührt es bei mir immer einen Nerv. Wahrscheinlich weil ich selbst so oft verständnislos angeschaut werde, wenn Freunde/Kollegen oder Familie erleben, dass Fotografie nach einigen rein digitalen Jahren, für mich (wieder) auschließlich anlog geworden ist. Der analoge Prozess, der Weg zum Bild ist für mich ein nicht wegzudenkender Teil meiner  Fotografie – oder dem, was Fotografie für mich ausmacht.
(Ich sage bewusst für mich. Andere arbeiten anders, haben Spaß daran und bringen faszinierende Bilder mit – ich beziehe mich hier auf mein eigenes Empfinden.)

Exemplarisch greife ich mir ein paar Aussagen aus Ronnys Blogpost heraus, die mich (oder meinen Widerspruchsgeist?) gekitzelt haben.

Aussage Nr. 1

Was kann ich mit einer analogen Kamera, was ich nicht auch mit der Digitalen kann? Nichts kann ich besser! Beide nehmen “Licht” auf – einziger Unterschied, die eine auf Film, die andere auf eine Pixelfläche.

Jein, lieber Ronny. Im Bezug aufs Motiv hast Du absolut recht. Entweder ich kann ein Motiv sehen – oder nicht. Wenn ich keinen Blick fürs Motiv habe, wird – egal mit welcher Kamera oder Aufnahmetechnik – kein gutes Bild daraus.

“Beide nehmen Licht auf” – Richtig. Aber Film oder Sensor – der Unterschied ist gravierend. Hier handelt es sich um weit mehr, als nur um zwei unterschiedlich farbige Eimer, die aber in gleicher Art und Weise Wasser aufnehmen.

Beim analogen “Eimer” hat der Fotograf in dem Moment, wo das Licht drauf fällt, schon einige Entscheidungen getroffen, die das Endergebnis entscheidend beeinflussen. Und nicht nur das. Sie werden  wahrscheinlich auch schon die Art und Weise beeinflussen wie er arbeitet. Oder er hat – anhand seiner bevorzugten Arbeitsweise – seine Werkzeuge entsprechend ausgewählt:

  • Die Kamera (welches Format, welche bildbestimmenden Eigenarten, technische Möglichkeiten und Einschränkungen),
  • den Film (wieviel bzw. was für ein Licht habe ich, welche Kontraste finde ich vor bzw. möchte ich im Bild nachher sehen, welche Emulsionscharakteristik brauche ich für mein Ergebnis – will ich z.B. viel oder wenig Korn),
  • den Entwickler (welche habe ich zuhause, welcher passt besonders gut zum gewählten Film, unterstützt durch sein Zusammenwirken mit der Emulsion meine Bildaussage, mein Sujet)

… das ließe sich noch weiter fortsetzen, denn streng genommen, ist da noch nicht Ende der Fahnenstange (man kann auch noch mit Entwicklungstemperatur, Kipp-Rhythmus, etc. spielen, ohne in Esoterik abzugleiten – und das betrifft nur die Entwicklung des Films und die Annahme, dass hybrid weiterverarbeitet wird. In der Dunkelkammer waren wir noch nicht mal …).

Darin liegt für mich wichtiger (und ohne Ende faszinierender) Aspekt an der analogen Fotografie: nämlich im enormen kreativen Potential, dass die verschiedenen Kamera-Belichtungs-Film-Entwickler-Kombinationen bieten (vor allem beim S/W-Film). Besonders, da sie sich so wenig linear verhalten, dass die Software-Entwickler dieser Welt dieses Verhalten höchstens im Ansatz digital simulieren können. Wer schon einmal Filme in Licht ersäuft und anschließend in der Entwicklung gepullt hat oder (andersherum) in der hellsten Mittagssonne um drei Blenden unterbelichtet und anschließend gepusht hat, kann sich erinnern, dass die Unterschiede alles andere als vernachlässigbar sind.

Wenn ich mir also nicht vorher ein paar Gedanken mache, mit welchem Film und entsprechender Belichtung sowie Entwicklung ich meine Vorstellungen umsetzen kann, bekomme ich entweder nur ein “so lala” Ergebnis oder im Extremfall einfach leere Negative.

Beim digitalen Arbeiten (bzw. dem digitalen Eimer) kann ich sehr viele Entscheidungen (auch technischer Art) erst hinterher treffen. Beim Analogen muss ich sie vorher treffen. Sonst kann ich viele kreative Visionen haben, die werden aber nie das Licht der Welt erblicken. In vielen dieser technischen Entscheidungsprozesse liegt der Schlüssel zum kreativen Arbeiten.

Sicher, ich kann meine Filme grundsätzlich nur auf Nennempfindlichkeit belichten und dann entwickeln lassen – von irgendeinem Labor. Mit irgendeinem Entwickler. In einem standardisierten Prozess. Ich kann dann das Ergebnis nehmen wie es kommt und mich dann einfach daran erfreuen. Für mich persönlich ist es jedoch viel spannender, die Zusammenhänge dahinter zu erkunden, die Stellschrauben und Parameter zu finden, die  meine Ausdrucksmöglichkeiten (theoretisch) fast unendlich erweitern.

Aussage Nr. 2

Der Aufnahmeprozess, angefangen von der manuellen Belichtungsmesser über die Fokussierung bis hin zum manuellen Aufziehen des Verschlusses ist mir dabei völlig egal. Sicherlich es macht Spaß so zu arbeiten, aber für mein eigentliches Endergebnis ist das nicht entscheidend.

Bei mir ist das nicht so. Vielleicht weil ich noch viel mehr zu lernen oder zu begreifen hatte. Mir ist am Beispiel analoges Großformat  erst klar geworden, wieviel einem jede halbwegs moderne Kleinbild- oder Mittelformatkamera abnimmt. Implizit war mir klar, dass man einen Verschluss spannen muss, damit er seinen Job tun muss – BEGRIFFEN habe ich es erst, als ich mich vor dem ersten Schuss mit meiner Graflex durch meine mentale Checkliste gearbeitet habe. Ich stelle außerdem fest, dass ich mir noch mehr Gedanken über mein Motiv und die wirklich bildwichtigen Elemente mache, wenn ich einen Fokus (womöglich noch mit Lupe) manuell sauber setzen muss, anstatt das irgendeinem Autofokus-Messfeld zu überlassen. Gleiches gilt für die Belichtung. Wohin und in welchem Winkel messe ich denn nun, wenn ich keine tolle Matrix- oder Mehrfeldmessung zur Verfügung habe, sondern nur meinen alten Gossen schwinge (oder, oh Frevel, mit einer  iPhone-App messe)?

Und ja, ich glaube daran, dass das viele Be-Grei-Fen und Erfahren meinem Fotografie-Verständnis auf die Sprünge hilft und sich irgendwann auch in meinen Bildern wieder findet. Oder, wie ein kluger Mensch in meinem Umfeld neulich meinte: Von der Hand in den Kopf, in den Bauch.

Man möge mich nicht falsch verstehen: ich halte mich mitnichten für die große Fotokünstlerin, die all das, was sie gelernt hat, virtuos und regelmäßig in preisverdächtige Werke umsetzt. Aber ich liebe es,  in meine Hobbys einzutauchen. Ich mag es, den Alltag hinter mir zu lassen, in dem  ich mein Gehirn um ein Thema wickle, das mich fasziniert. Genau deshalb ist der Prozess für mich so wichtig wie das Endergebnis.

Just my two cents – oder in dem Fall eher mein ganzes Pfennigglas.

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Nahezu ziellos

Ich bin ja nicht so der Foto-Taschen-Mensch. Nicht mehr. Trotz einer durchaus beachtlichen Sammlung spezialisierter Linsenbehältnisse, wandern meine Kamera(s), ein paar Handvoll Filme und Zubehör meist einfach in einen Rucksack. Das Stativ hänge ich mir mit einem Riemen quer über Rücken und Schulter und gut ist. Trotzdem kann man trefflich drüber philosophieren, was man so an Kleinzeug dabei haben sollte. Bei mir sind es im Regelfall eine kleine Wasserwaage und Drahtauslöser oder vielleicht mal ein Taschenmesser. Mehr wäre mir schon zuviel Aufwand – ich bin da eher Minimalistin.

Andere, besonders die Anhänger des Strobistentums, schleppen neben dem – ich nenne es mal Primärmaterial – noch Klebeband, Schnüre und anderes McGyver-Zeugs mit sich rum. Nichts, was ich wirklich brauchen würde …. aber ich weiß seit gestern, was in meiner Minimalausrüstung nie mehr fehlen darf: der Laserpointer.

Die Fotos in diesem Beitrag entstanden in einer verlassenen Penthouse-Etage eines Nobelhotels und sie gehören – neben zwei Skylinebildern vom Dach – zu den einzigen auf einer Rolle Film, die tatsächlich scharf sind. Das Hotel (ein Luxusschuppen) ist noch in Betrieb, aber die obersten drei Etagen und der ganz oben befindliche alte Ballsaal sind verlassen.

Wenn man da des Nachts  eher uneingeladen hineinspaziert verhält man sich fein still und versucht, Aufsehen zu vermeiden. Das bedeutet u.a. kein Licht  und wenn, dann wird die Taschenlampe fein abgeblendet und nach unten gerichtet (über die eigenen Füße will frau eher nicht fallen … wegen dem Aufsehen und so).

Besagter Ballsaal war nun – bis auf die Lichter der Notausgänge und der Skyline – unbeleuchtet und so zappenduster, dass man mir beim Film einlegen mit dem leuchtenden iPhone assistieren musste. Ein Blende kann ich noch von Hand und nach Gefühl einstellen, belichtet habe ich eh im Bulb-Modus mehrere Minuten lang (einen Drahtauslöser kann ich auch blind bedienen), aber die Sache mit dem Fokussieren gestaltete sich in gegen dunkle Wände oder Fenster schwierig. Dort, wo mir beleuchtete Notausgang-Schilder als Anhaltspunkt fehlten, hätte ich mir einen Laserpointer gewünscht. Klein unauffällig, scharf umrissen und ohne auffälligen Lichtkegel. Hatte ich nicht. Leider. So habe ich einige Bilder auf meinem Film die hinsichtlich Belichtung, Kontrasten und vor allem Stimmung wun-der-bar sind. Leider sind sie unscharf. Butterweich. Hmpf!

Ich meine … es grenzt an ein Wunder, dass ich bei lauter geratenen und pi mal Daumen umgesetzten Belichtungszeiten von 1-3 Minuten einen 1A durchgezeichneten Film aus der Suppe ziehen durfte … und dann sind die besten Bilder de-fokussiert. [bitte hier theatralisches Gejammer einsetzen]

Nu ja … sagte ich schon, dass ich Standentwicklung liebe? It rulez!

> Klick macht groß <

 

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Hoppla!

Manchmal braucht es nur einen Scan Workshop, um sich mal wieder durch altes Material zu wühlen und unerkannte oder vergessene Schmuddel-Bilder auszugraben.

Auf der Suche nach scantechnischen Herausforderungen bin ich über eine zwei Jahre alte Doppel-Belichtung aus Dresden gestolpert.  Hoppla!

Kamera: meine beliebig unzuverlässig arbeitende Diana F.
Film: Fuji Astia 100F cross entwickelt.

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