Wetter. Pellworms Wolkenformationen im Gegenlicht

Wie ich lerne, mit Halos zu leben

Die Nordsee und die sie umgebenden Landschaften hatten auf mich immer schon eine sofort einsetzende beruhigende Wirkung. Vermutlich liegt es daran, dass es dort – neben dem gemeinen Deichschaf in multipler Ausführung – vor allem eines gibt: Weite. Ich hätte einfach nichts dagegen, wenn es in meinem Kopf ähnlich aussehen und in meinen Gedanken zur Abwechslung mal genauso eine Ruhe herrschen würde. Wunschdenken. Aber nun ja. Bis dahin bleibt dieser Landstrich eines dieser Urlaubsziele, an die ich mich immer dann beamen möchte, wenn es in meinem Leben etwas zu voll für meinen Geschmack wird.

Letzte Woche war es dann soweit, nach vielen Monaten Corona-Zurückhaltung ohne größeren Ausflug, hatten wir vier Übernachtungen auf Nordstrand gebucht. Wind, Weite und wenig Leute – so die Wunschliste (die ich zwischendurch um den Punkt “Fischbrötchen” ergänzt habe).

Fototechnisch bedeutet Nordsee für mich in der Regel Film. Nichts visualisiert für mich so sehr Ruhe, wie ein ein gut aufgeräumtes Schwarzweißbild. Bevorzugt auf Fuji Neopan Acros oder Kodak TriX. und am liebsten in einem größeren Filmformat also 6×7 cm oder 4×5 Inch. Negativ lässt sich eben nur durch noch mehr Negativ toppen.

Dieses Mal wollte ich es mir etwas leichter machen und habe, statt eines meiner alten analogen Schätzchen mitzunehmen, meine Z6 eingepackt. Digital an die Nordsee – hell freezes over! Offen gesprochen hatte die Kamera, wie ihre Halterin, dringend Auslauf nötig. Außerdem hat sie die nette Eigenschaft, dass ich mit ihr für eine gewisse Bewegungsunschärfe nicht mal ein Stativ brauche (so ein stabilisierter Sensor ist mitunter recht praktisch). Ich hätte also die Gelegenheit gehabt, meine Treulosigkeit mit Gewichtsersparnis und wirklich kleinem Fotogepäck zu begründen. Wären nicht das zweite weit öffnende Objektiv, das Subjektiv Pancake und das Notebook noch mit in den Rucksack gewandert. Chance vertan.

Was bleibt an Rechtfertigung? Mit soviel Equipment kann man sicher tolle Bilder machen.
Denkste!

Es ergab sich nämlich, dass der Mann in einer seiner letzten Podcast-Episoden mit seinen Co-Hosts trefflich über die Freuden des Schnappschusses philosophierte und sich darob spontan (während der Hinfahrt auf dem Beifahrersitz) dazu entschloss, unseren Ausflug allein mit dem iPhone zu dokumentieren (es bleibe an dieser Stelle nicht unerwähnt, dass auch er Kamera für Erwachsene im Gepäck hatte). Eine zusätzliche Einschränkung: die Nutzung eines speziellen Kamera-App, nämlich Argentum. Die App bietet verschiedene Filter (bitte werfen Sie eine Münze ein), welche stark von der Ästhetik klassischer schwarzweiß Fotografien inspiriert sind. Einen ersten Filter – Ansel Adams – gibt es gratis. Dramatische Himmel anyone?

Natürlich habe ich das Spiel dann mitgespielt. Ich bin ja so leicht zu überzeugen umzupusten. Was sich für die meisten von Euch vielleicht nicht als eine große Sache darstellt, war für mich wirklich eine Herausforderung. Die Kamera in meinem iPhone ist für mich immer nur zweite Wahl. Ich nutze sie fast nur zur Dokumentation von Alltagsgegebenheiten, dem gelegentlichen Katzen- oder Gartenbild. Die Bilder lösche ich irgendwann wieder. Kaum eines davon hat es jemals auf mein Blog oder auf Flickr geschafft. Nanu, Moni – woher kommt dieser Kamera-Snobismus? Ausgerechnet bei Dir? Ähem ….

Nun ist es nicht so, dass ich nicht will – eher ist es so, dass ich nicht KANN. Es gibt bestimmte Kameras in meinem Fundus, die mir (gefühlt) helfen, meine Motive nicht nur so einzufangen wie ich es mag, sondern sie überhaut erst richtig zu sehen. Ganz vorne dabei: meine Pentax 67. Mit ihr habe ich selten Bildfindungsstörungen. An meiner Z6 muss ich noch kräftig üben, aber wir finden langsam zusammen. Ich mit der Kamera im iPhone? Klingt nicht nach einem Dream Team.

Immerhin hatte Chris eine App ausgesucht, die uns ausschließlich auf Schwarzweißbilder festgelegt hat. Was mir grundsätzlich entgegen kommt. Auch Kontraste mag ich und so war für mich klar, dass ich erstmal nur mit dem (gratis) Ansel-Adams-Filter arbeiten würde. Aber eines hat mich dann doch Überwindung gekostet. Die aufgesteilten Kontraste sorgten zusammen mit der angehängten Jpeg-Komprimierung nicht nur für dramatische Bildergebnisse, sondern auch für reichlich Halos an den Kontrastkanten. Etwas, dass ich mit Leib und Seele hasse. Egal wie seht ich ein Motiv mag, wenn Halos im Bild sind, ist es mir peinlich es vorzuzeigen. Was Ihr also hier auf der Seite seht, ist gewissermaßen Therapie durch Konfrontation. Ich arbeite daran.

Ich kann allerdings nicht abstreiten, dass es schon ein befreiendes Gefühl ist, mit “fast keiner Kamera” loszuziehen. Nicht nur, weil die Finger wärmer bleiben. Ich habe auch ein weniger schlechtes Gewissen, wenn mich die Muse nicht recht küssen mag. Oder wenn meiner inneren Nörglerin wieder nichts gut genug ist. Ich war auch in diesem Urlaub wieder besonders gut darin, Bilder nicht zu machen.

Eines hat mir die kleine Übung (neben dem Spaß) aber auch noch gebracht: ich habe entdeckt, wie gerne ich im 16:9-Format fotografiere. Und zwar besonders im schmalen Hochformat – also 9:16. Das möchte ich tatsächlich häufiger ausprobieren, auch wenn es überhaupt nicht instatauglich ist. Zum Einfangen von Weite taugt es aber. Sehr sogar.
Und zwei Insta-Fotos habe ich dann doch gemacht (jpeg-Artifakte und Halos … grusel).

Ach ja, und wären wir auf Nordstrand waren, haben wir auch eine Episode Abzug FM aufgenommen. Darin geht es zwar nicht nur um Fotografie an der Nordsee, aber eben auch. 😉
(Und außerdem kaufe ich ein h)

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Aus Angst vor dem Banalen

… oder die Geschichte von Frau Hasenfuß.

Es gibt Dinge, die ich besonders gut kann:

  • Meine Kamera mit mir herumtragen, zum Auge führen und nicht abdrücken.
  • Meine Kamera zum Auge führen, abdrücken und unzufrieden sein.
  • Film um Film belichten und unentwickelt im Dunkeln liegen lassen.

Und warum?

  • Weil jemand  das Bild sicher schon besser gemacht hat (oft hat dieser Jemand einen Namen)
  • Weil es ein Postkartenbild ist
  • Weil es sicher ein banales Motiv ist.

Turn right

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Picture taken in St. Peter Ording, Germany by Monika Andrae Camera: Pentax 67 Film: Kodak Tri-X 400

Bei solcher Art lieb gewonnener Eigenheiten droht nicht nur ein ABBLE von unerhörten Ausmaßen (ABBLE = Analog Backlog Beyond Life Expectancy), sondern es geht einem auch der Spaß am allerliebsten Hobby flöten. Der Stapel schlummernder Bilder ist wie ein lästiges Jucken an einer Stelle, die man alleine schlecht erreicht. Je länger sie ruhen, desto mehr juckt es. Je länger sie ruhen, umso weniger mag frau sich die Bilder anderer Leute ansehen.

Wenn’s einen zwischen den Schulterblättern juckt, sucht man sich einen Türrahmen zum dran Schuppern – oder holt die Laborkiste aus dem Keller und fängt an. Und siehe da, es macht Spaß. Bilder banal? Sch…egal.

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